Friling

Ghetto Wilna

Ein Liebender sucht seine Geliebte auf den Straßen und Gassen des Ghettos, kann sie jedoch nicht finden. Der Frühling ist gekommen, und alles blüht, doch die Sehnsucht des Liebenden wird nur stärker und lässt ihm keine Ruhe. In seiner Vorstellung sieht er die Geliebte freudig und mit Blumen geschmückt ihm entgegenkommen.

Das Lied wurde nach dem Tod von Schmerke Kaczerginskis Frau im April 1943 im Ghetto Wilna geschrieben. Uraufgeführt wurde es im Theater von Wilna in dem Stück „Dos Yogenish in Fas“ („Unruhe im Fass“). Später verbreitete sich das Lied in den Konzentrationslagern, und es wurde auch nach dem Krieg noch gesungen. Durch seine Verwendung in Joshua Sobols erfolgreichem Schauspiel „Ghetto“, das sich mit dem Thema Theater und Musik im Ghetto Wilna auseinandersetzt, erreichte das Lied später eine gewisse Popularität.

Die Melodie des Liedes steht ihm Tango-Rhythmus. Die Verwendung des Tangos in Liebesliedern war in der jüdischen Kultur zwischen den Weltkriegen wie auch in anderen Kulturen nicht unüblich.

(aus: www.yadvashem.org)

Text: Shmerke Kaczerginski, Melodie: Abraham Brudno

Friling

פֿרילינג

Ikh blondzhe in geto fun gesl tsu gesl
Un ken nit gefinen keyn ort
Nito iz mayn liber, vi trogt men ariber?
Mentshn, o zogt khotsh a vort.
Es laykht af mayn heym itst der himl der bloyer
Vos zhe hob ikh itst derfun?
Ikh shtey vi a betler bay yetvidn toyer
Un betl – a bisele zun.

Friling, nem tsu mayn troyer,
Un breng mayn libstn, mayn trayer tsurik.
Friling, af dayne fligl bloye,
O nem mayn harts mit un gib es op mayn glik.

Ikh gey tsu der arbet farbay undzer shtibl,
In troyer – der toyer farmakht.
Der tog a tsehelter, di blumen farvelkte,
Zey vyanen – far zey iz oykh nakht.
Far nakht af tsurikvegs, es noyet der troyer,
Ot do, hostu, libster, gevart.
Ot do inem shotn nokh kentik dayn trot iz,
Flegst kushn mikh liblekh un tsart.

S’iz hayyor der friling gor fri ongekumen.
Geblit hot zikh benkshaft nokh dir.
Ikh ze dikh vi itster balodn mit blumen,
A freydiker geystu tsu mir.
Di zun hot fargosn dem gortn mit shtraln
Tseshprotst hot di erd zikh in grin.
Mayn trayer mayn libster vu bistu farfaln?
Du geyst nit aroys fun mayn zin.

Frühling

Ich gehe durchs Ghetto von Gasse zu Gasse
Und kann keinen Trost finden.
Mein Geliebter ist fort, wie soll ich weitergehen?
Jemand, oh sag nur ein Wort!
Es leuchtet auf meinem Haus der blaue Himmel
Doch was bleibt mir im Leben?
Ich stehe wie ein Bettler an jeder Türschwelle
Und bitte um ein wenig Sonne

Frühling, bitte nimm meinen Kummer
Und bring meine Liebste, meine Liebste mir zurück.
Frühling, auf deinen blauen Flügeln
Nimm mein Herz mit dir und bring mir die Liebe zurück

Ich gehe zu meiner Arbeit und komme an unserem Häuschen vorbei
Traurig, die Tür ist fest verschlossen
Die Tage sind voll Sonnenlicht doch die Blumen blühen nicht mehr,
Sie verwelken, auch für sie ist es Nacht
Nachts, wenn ich zurückkehre brennt die Traurigkeit
Genau hier, meine Liebe, hast du auf mich gewartet
Genau hier im Schatten höre ich noch deine Schritte
Du hast mich so leidenschaftlich geküsst

Der Frühling ist dieses Jahr sehr früh gekommen
Meine Sehnsucht nach dir blüht.
Ich sehe dich vor mir geschmückt mit Frühlingsblumen
Lächelnd kommst du auf mich zu
Die Sonne hat den Garten mit ihrem Licht überflutet
Verwandelt hat sich die Erde in Grün.
Mein Liebster, mein Geliebter wo bist du hin?
Ich kann nicht aufhören, an dich zu denken.


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