Die alten Lieder

Franz Josef Degenhardt veröffentlichte dieses Lied 1966 auf dem Album „Wenn der Senator erzählt…“. Auch wenn sich die Situation des deutschen Liedes heute, fast 50 Jahre später, deutlich geändert hat, ist es in seiner Grundaussage immer noch aktuell. Auch und gerade für uns Musiker, die wir, Deutsche und Nichtjuden, ein Programm mit jiddischen Liedern spielen.

Degenhardt starb am 14. November 2011. Einen Monat später traten zahlreiche Musiker im Berliner Brecht-Theater zu seinen Ehren auf, unter anderem Daniel Kahn mit seiner Version der „alten Lieder“ (zu hören auf „Bad Old Songs“, 2012).

Die alten Lieder

LP Degenhardt: Wenn der Senator erzählt

Wo sind eure Lieder,
eure alten Lieder?
fragen die aus anderen Ländern,
wenn man um Kamine sitzt,
mattgetanzt und leergesprochen
und das high-life Spiel ausschwitzt.

Vu zenen di lider
ayere alte lider
fregn di fun andere lender
ven me zitst bay fayer-hits
flakhgetantst un pustgeredt
alts multikulti oysgeshvitst

Ja, wo sind die Lieder,
unsre alten Lieder?
Nicht fürn Heller oder Batzen
mag Feinsliebchen barfuss ziehn,
und kein schriller Schrei nach Norden
will aus meiner Kehle fliehn.

Toyt zenen di lider
ayere alte lider
lerer hobn zey tsebisn
farrumplt hot zey amolek
broyne hordes toyt geshrign
tsetrotn inem shrivl-drek

Tot sind unsre Lieder,
unsre alten Lieder.
Lehrer haben sie zerbissen,
Kurzbehoste sie verklampft,
braune Horden totgeschrien,
Stiefel in den Dreck gestampft.

Franz-Josef Degenhardt / Daniel Kahn

Die alten Lieder
Foto: „Strolch Foto“, Hans Heuser

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