Roza na doroge

Diesen Artikel hatte ich im Dezember 2022 veröffentlicht. Hier ist noch ein Nachtrag zu den Bildern auf dem Cover des Buches:

1. Die Fenster auf der ersten Seite oben des Covers wurden im ehemaligen jüdischen Viertel der Stadt Rakov, Bezirk Wolozhin, Gebiet Minsk aufgenommen.

2. Die zweite Seite des Covers unten, eine Geige, ist Teil eines Freskos aus der Hauptsynagoge in Czernowitz. 

Diese beiden Fotos sind von Christian Hermann, Deutschland, Köln. Auf seinen Reisen machte er viele einzigartige Fotografien, die die Spuren der jüdischen Kultur der Vergangenheit dokumentieren. Christian Hermann ist Autor des Blogs „Vanished World“, der gerade im Februar 2023 aktualisiert wurde: 10 Days in Ukraine (https://vanishedworld.blog). Ich habe seinen Blog und einige Bilder auch schon 2018 hier in diesem Blog vorgestellt.

3. Die erste Seite unten (von Ivan Grave) – Teil einer rituellen Tischdecke zum Abdecken von Challah (Sabbatbrot) während der Feier des Schabbats. Die traditionelle Stickerei auf dem Tischtuch mit den Worten aus der Thora („Wer den Schabbat feiert, wird dem Herrn wohlgefällig und gesegnet sein“) wurde vom Künstler  durch einen musikalischen Text ersetzt, der den Dienst am Herrn auch mit Musik symbolisiert.

Auf dem Cover unten und auf der CD wiederholt sich das Muster.

Das Foto von der Autorin Bella Liebermann ist von Michael Bause, Köln

Роза на дороге – Eine Rose auf der Straße. Kulturelle Traditionen der Juden in Belarus

Die Geschichte des Buches begann 1980, als Bella Agranovskaya Lieberman, Studentin des Belarussischen Staatskonservatoriums in Minsk, von ihrer Professorin gebeten wurde, in Baranovichi (Region Brest) Lieder aufzunehmen, die von Basia Bertam gesungen wurden. Bella besuchte die alte Frau mit einem Kassettenrekorder und nahm 20 jiddische Lieder auf. Nach ihrer Rückkehr übergab sie die Aufnahmen dem Archiv des Konservatoriums. Zu der Zeit gab es keinerlei Interesse an Klezmer oder jüdischer Musik, die Forschungsreisen des Instituts wurden im Rahmen der Lehrdisziplin „Weißrussische Volks- und Gesangskunst“ durchgeführt.

37 Jahre später, im Jahr 2017, erfuhr Bella Liebermann zufällig bei einem Telefonat mit dem Klezmermusiker Zisl Slepovich in New York, dass er die Aufnahmen im Archiv in Minsk gefunden hatte und dass sie der Ausgangspunkt für seine Doktorarbeit über Klezmermusik im Jahr 2006 waren. Er übergab die digitalisierten Aufnahmen Bella, und sie plante, sie zu veröffentlichen.

Zu der Zeit spielte ich schon mit Bella zusammen in der Gruppe Kol Colé. Roman, unser Klavierspieler, schrieb die Noten per Hand auf, ich sorgte dann für den Satz der Noten und der Texte.

Diese kleine Sammlung wurde zu einer der ersten dokumentierten Materialsammlungen jüdischer Musikkultur in Belarus nach dem Holocaust; einige der Lieder waren unbekannt und werden zum ersten Mal veröffentlicht, andere sind durchaus bekannt. Bella Liebermann hat eine ausführliche Einleitung über die Geschichte des Judentums in Belarus geschrieben, das bekanntlich zwischen Nationalsozialismus und Stalinismus vollkommen aufgerieben wurde, und wie es zu diesen Aufzeichnungen kam. Außerdem gibt es Kommentare zu allen Liedern. Das Buch ist dreisprachig, auf Russisch, Deutsch und Englisch verfasst und ihm liegt eine CD mit den Originalaufnahmen von 1980 bei.

Das vorläufige Ende der Geschichte: das Buch wurde im St.Petersburger Verlag „Renome“ gedruckt. Als es dieses Jahr fertig war, war schon Krieg und an eine Auslieferung der Bücher nach Deutschland war nicht mehr zu denken. Eine Freundin hat ein paar Bücher über Polen geschmuggelt, und ich freue mich, endlich und wahrhaftig ein Exemplar in der Hand zu halten.

Die zwanzig Lieder, die in diesem Buch beschrieben wurden, sind vergleichbar mit einem Tropfen in einem Meer vielschichtiger Erscheinungsformen jüdischen Lebens, die heute nur teilwiese untersuchbar sind. Diese von einer alten jüdischen Großmutter in Baranowitschy gesungenen Lieder wurden von mir aufgenommen, als ich eine unerfahrene Studentin war und klingen als leises Echo wie ein Nachhall einer großen verlorenen Kultur. Wenn wir uns heute begegnet wären, hätte ich natürlich wesenlich mehr aufgenommen, hätte sie nach ihrer Kindheit, Hochzeit, über die anderen Schriftsteller, Musiker und Dichter befragt, hätte letztendlich mit ihr auf Jiddisch gesprochen. Aber ich konnte nicht einmal ihre Verwandten und ihre Gräber finden, ich habe auch kein Foto von ihr. Es bleiben nur die dunkle, warme, angenehme Stimme und diese Lieder, die ich zu beschreiben versucht habe.

Bella Liebermann

Interessenten können das Buch bei der Jüdischen Literaturhandlung München oder Lengfeldschen Buchhandlung Köln ( 0221 2578403) oder direkt bei Bella Liebermann (bellalieber@googlemail.com) bestellen.

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