Mameloshn und der zweite Holocaust
Gestern, zum Holocaust-Gedenktag am 27.01., sprach Inge Auerbacher, deutschstämmige und in den USA lebende Holocaust-Überlebende im Deutschen Bundestag. Es war ein bewegender Appell an die Deutschen, sich dem wieder wachsenden Antisemitismus entgegenzustellen.
Lange wird es nicht mehr möglich sein, dass Überlebende am Holocaust-Gedenktag oder anderen Feierlichkeiten sprechen. Inge Auerbacher war bei der Befreiung des Lagers Theresienstadt 10 Jahre alt, heute ist sie 87. Diejenigen, die die Lager noch als junge Erwachsene erlebt haben, sind zum größten Teil schon tot, und auch die, die nur noch Kindheitserinnerungen an die Shoa haben, sterben langsam aus.
Einen Aspekt zu dieser Thematik hat letztens Dovid Katz, Linguistik-Professor und Spezialist für jiddische Sprache, in einem Vortrag beleuchtet: mit den letzten aus Osteuropa stammenden Überlebenden, stirbt auch ein wesentlicher Teil des Jiddischen, nämlich diejenigen Menschen, die noch mit Jiddisch als Muttersprache („Mameloshn“) großgeworden sind. Ich kann mich noch an einen alten Herrn im Club Mameloschen der Kölner Synagoge erinnern, mit dem ich Jiddisch reden konnte. Mittlerweile ist er auch verstorben.
Nur in den ultraorthodoxen, chassidischen Gemeinden in aller Welt wird Jiddisch noch als lebendige Sprache des täglichen Lebens gesprochen. Außerhalb davon nahmen die Emigranten überall die Sprache des Gastlandes, der neuen Heimat an, und Israel entschied sich für Hebräisch als Landessprache. Es waren die Eltern, später die Großeltern, die man noch Jiddisch reden hörte. Vor zehn Jahren waren es noch viele. Heute sind es nur noch wenige. In zehn Jahren werden sie verschwunden sein. Das ist das, was Dovid Katz als „zweiten Holocaust“ bezeichnete.