Yung Yidish muss zum 5. Dezember schließen
Schon öfters habe ich über Mendy Cahan’s Yung Yidish und den monströsen, chaotischen und wunderbaren Busbahnhof in Tel Aviv geschrieben. Im Frühjahr 2019 hatten wir selber dort anläßlich eine Besuchs ein Konzert gespielt. Jetzt ist es soweit, der Busbahnhof soll abgerissen werden und Yung Yidish muss schon zum 5. Dezember geräumt werden.
Hier ist die Übersetzung eines Berichtes von Rukh Schaechter im Yiddish Forverts:
Nach einem Urteil des Amtsgerichts Tel Aviv muss das beliebte jiddische Kulturzentrum und die Bibliothek „Yung Yidish“ im Zentralen Busbahnhof von Tel Aviv bis zum 5. Dezember 2021 seine Türen schließen.
Die Räumung ist Teil eines großen Plans der Stadt, den riesigen Bahnhof wegen mangelnder Brandschutzstandards zu schließen und an einem anderen Ort in der Stadt einen neuen zu bauen. Seit Jahren beschweren sich die Anwohner über die hohe Luft- und Lärmbelastung in dem übel riechenden Bahnhof – einem gewaltigen siebenstöckigen Labyrinth, das seit Jahren als „ein Dorn im Auge“ und „eine Monstrosität“ bezeichnet wird.
Aber wenn man in den fünften Stock des Komplexes hinaufsteigt und den von „Yung Yidish“ bewohnten Raum betritt, ist es, als würde man eine andere Welt betreten: eine beeindruckende Bibliothek mit Tausenden von jiddischen Büchern, die nur darauf warten, durchgeblättert zu werden. Und wenn man Glück hat, kommt man gerade rechtzeitig, um an einer der zahlreichen Aktivitäten teilzunehmen: Klezmer-Konzerte, Vorträge, Feiertagsfeiern und Jiddisch-Kurse, alles unter der Leitung des Schauspielers und Sängers Mendy Cahan, dessen Wärme und Charisma einen schon beim Eintreten beeindruckt.
Itzik Gottesman, Dozent an der Universität von Texas in Austin, der Cahan 2009 interviewte, lobt eine von Cahans größten Errungenschaften, etwas, das keine andere jiddische Organisation geschafft hat: junge Israelis anzulocken.
„Seine Räumlichkeiten im zentralen Busbahnhof sehen von außen surrealistisch aus, aber sobald man eintritt, hat man das Gefühl, zu Hause zu sein, unter Freunden“, so Gottesman.
Das Gericht von Tel Aviv hatte bereits 2016 angeordnet, dass alle im zentralen Busbahnhof ansässigen Unternehmen und Kulturgruppen das Gebäude räumen müssen, es sei denn, Nitsba Real Estate, das Unternehmen, dem der Bahnhof gehört, erhält die Genehmigung der Feuerwehr und des Rettungsdienstes, des Gesundheitsministeriums und des Umweltschutzministeriums – etwas, das nach einhelliger Meinung praktisch unmöglich ist.
Bei dem Versuch, der Öffentlichkeit den Umzugsplan zu „verkaufen“, zählte Verkehrsministerin Merav Michaeli alle Vorteile auf. „In naher Zukunft werden wir alternative Standorte, mehr Elektrobusse, einen besseren Service und weniger vom zentralen Busbahnhof in Tel Aviv und seiner Verschmutzung sehen“, sagte sie in einer Erklärung.
Sie ging nicht darauf ein, ob das Gebäude eingeebnet wird, was die Luftverschmutzung in der Stadt mit Sicherheit noch verstärken würde, und auch nicht auf die Tatsache, dass der neue Standort in der Nähe des Panorama Centers weit von einem Bahnhof oder einer Hauptverkehrsstraße entfernt ist. Dies hätte zur Folge, dass sich die Busse durch die Straßen von Tel Aviv schlängeln müssten, um ihre letzte Haltestelle zu erreichen, was die Fahrzeit der Fahrgäste erheblich verlängern würde.
Als Cahan zum ersten Mal die Nachricht von der Schließung des Busbahnhofs am 5. Dezember hörte, war er nicht beunruhigt. „Das haben wir schon einmal gehört“, sagte er in einem Interview mit den Forverts. „Aber ein paar Stunden später, nachdem ich einige Journalisten und Freunde angerufen hatte, stellte sich heraus, dass es schlimmer war, als ich dachte.“
Da es sich um eine Auseinandersetzung zwischen Nitsba und der Stadtverwaltung oder, wie Cahan es nennt, um einen „Streit zwischen Kapitalisten“ handelt, hat sich keine von beiden Stellen die Mühe gemacht, sich an die Betreiber der kleinen Läden im Busbahnhof oder an Kulturzentren wie Yung Yidish zu wenden, um zu sehen, ob sie eine Lösung finden könnten. „Niemand hat sich je für die Kultur hier interessiert, und jetzt schon gar nicht“, sagte Cahan.
Was noch frustrierender sei, fügte Cahan hinzu, sei, dass er und seine Mitarbeiter im vergangenen Jahr, während der Pandemie, endlich die Bücherregale erweitert hätten, so dass sie Tausende von Büchern, die sie von Einwohnern der Stadt gesammelt hätten, ausstellen könnten. „Nächsten Monat müssen sie alle wieder in die Kisten gepackt werden.“
Yung Yidish ist nicht die einzige Organisation in Israel, die jiddische Kulturveranstaltungen durchführt. Es gibt auch das jiddische Theater, das Jidischspiel, Jiddischkurse im „Beit Sholem Aleichem“ und an den Universitäten, Wissenschaftler, die sich mit den verschiedenen Bereichen der jiddischen Sprache und Kultur befassen, und informelle jiddische Buchklubs im ganzen Land.
Aber besonders all die anderen, eklektischeren Aspekte der jiddischen Kultur – Kabaretts, Klezmer-Konzerte, Tanz, Geschichtenerzählen, Memoiren, Filmemachen, Arbeit mit Israelis in ihren 20er und 30er Jahren – sind das, worum es bei Yung Yidish geht. Das ist seine größte Stärke.
„Die Schließung des Busbahnhofs und die Möglichkeit, dass Yung Yidish keinen eigenen Raum mehr haben wird, können wir nicht zulassen“, sagte Bella Bryks, eine jiddische Aktivistin in Tel Aviv. „Die nationale Behörde für jiddische Kultur hilft Mendy, aber ihr Budget ist begrenzt. Es ist bedauerlich, dass wir hier in Israel kein jiddisches Buchzentrum haben, wie es in Amherst, Massachusetts, existiert“, fügte sie hinzu.
„Wenn die Gemeinde den Bahnhof wirklich schließen und abreißen will, muss sie einen anderen Raum für Yung Yidish finden und beim Transport der Tausenden von Büchern aushelfen“, sagte Gottesman. „Die Bibliothek und die Organisation selbst sind ein nationales Kulturgut.“
Update vom 30.11.21:
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Ich glaube es ist noch eine Frage des Sicherheit. Der Busbanhof mit seine Labirinten ist nicht ein siecheren Platz,
Als ich dort war und im Erdgeschoss im Supermarkt eingekauft habe, wurde gründlich Sicherkraftskontrolle durchgeführt.
Ich glaube dass Mendy Cahan bekommt einen guten alternativen Angebot für die Bibliothek.
Sicherheitskontrollen machen sie ja überall in Israel. Aber das Argument in diesem Fall: Brandschutz – das ist so ein Totschlagargument für alles, siehe Laschet und Hambacher Forst… Ich hoffe und wünsche auch sehr, dass Yung Yidish eine gute Alternative kriegt!