1. Juni 2021: 80 Jahre Farhud
Jüdische Geschichte im Orient
Vor zwei Jahren haben wir mit Kol Colé auf einem Festival in Fes, Marokko, gespielt. Das Konzert war in der Synagoge El Fassiyne, in der Mellah, dem ehemals jüdischen Viertel mitten in der Medina, der Altstadt von Fes. Wir haben den jüdischen Friedhof besucht, sind den Spuren von Maimonides nachgegangen und haben viel erfahren über die reiche jüdische Vergangenheit in Fes.
Überall im Orient, von Marokko im Westen bis zum Irak im Osten gab es ein reiches jüdisches Leben, befruchteten sich arabische, berberische und jüdische Kultur gegenseitig über Jahrtausende.
Mit der Gründung des Staates Israel, der Vertreibung vieler Palästinenser und den beiden darauf folgenden Kriegen (Sechstagekrieg und Jom-Kippur-Krieg) änderte sich die Lage dramatisch. Zum einen hatten Juden auf der ganzen Welt nach 2000 Jahren Exil wieder ein eigenes Land und dieses Land warb auch intensiv um Einwanderer, zum anderen stieg der Antisemitismus in den arabischen Ländern steil an. Alle großen jüdischen Gemeinden von Fes bis Bagdad schrumpften zur Bedeutungslosigkeit oder verschwanden ganz.
Die Farhud
Aber auch schon in den Jahren davor gab es entscheidende Einschnitte. Die Farhud, das Pogrom an der jüdischen Bevölkerung in Bagdad am 1. und 2. Juni 1941, also vor genau 80 Jahren, ist so ein Einschnitt. Es hat für den Orient vielleicht die gleiche Bedeutung wie die Reichspogromnacht von 1938 für Deutschland: eine Grenze wurde überschritten, die Grenze zwischen latentem Antisemitismus und offener Verfolgung und Ermordung. Ein deutlicher Warnschuss: nein, es geht nicht mehr, nichts wird gut, ihr müßt fliehen und das Land verlassen und zwar schnell.
Die Briten hatten ihr Mandat im Irak 1932 beendet. Die irakische Regierung war deutschfreundlich und kollaborierte auch nach Beginn des Krieges mit den Nationalsozialisten. Daraufhin kam es Ende April 1941 zum britisch-irakischen Krieg, der mit der Kapitulation und Flucht des Machthabers Raschid Ali al–Gailanis endete. Noch bevor die Briten in Bagdad einmarschierten kam es zum Pogrom an den Juden, die viele der Kollaboration mit den Briten verdächtigten. 180 Menschen wurden getötet, andere Quellen sprechen von bis zu 600, Frauen wurden vergewaltigt und verstümmelt, jüdische Geschäfte und Häuser ausgeraubt und angezündet. Eine Synagoge wurde eingenommen und die Thora-Rollen verbrannt.
An den Übergriffen beteiligt waren sowohl Soldaten als auch Polizisten und Zivilisten, ausgelöst wurden sie aber wohl durch Anhänger der Jugendbewegung al–Sabawis, die darin ihrer Wut über die Niederlage al–Gailanis gegen die britischen Truppen freien Lauf ließen.
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Remember Bagdad – Die letzten Juden in Bagdad,
eine Dokumentation von Fiona Murphy, ein melancholischer Film voller historischer Filmaufnahmen und Fotos, der den Menschen und ihren Erinnerungen an einen verlorenen Ort nahekommt. Chronologisch erzählt der Film die Geschichte der Bagdader Juden im 20. Jahrhundert.
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