Di megile fun vaymar
Das Buch Esther für das Weimar des 21. Jahrhunderts
Am 25. Juli wurde im Mon Ami im Rahmen des Yiddish Summer Weimar „Di megile fun vaymar“ von Alan Bern uraufgeführt, ein Musiktheaterstück, „das die konkurrierenden Versionen des biblischen Esther-Buches miteinander in eine zeitgenössische, kaleidoskopische Geschichte verwebt“ (Zitat Programmheft). Um zu verstehen, worum es überhaupt geht, muss man vielleicht ein wenig weiter ausholen:
Das Buch Esther
Das Buch (oder die Megilla = Schriftrolle) Esther ist eine Geschichte aus dem Alten Testament. Sie handelt von der Jüdin Esther, die zur Königin am Hof des persischen Herrschers Ahasveros – vermutlich der historische Xerxes I. – aufsteigen kann. Ihr Gegenspieler ist Haman, ein hoher Regierungsbeamter und Berater des Königs. Nachdem der Jude Mordechai, der ebenfalls eine hohe Stelle am Hof einnimmt, sich nicht vor Haman verbeugt, sondern ihm gerade ins Gesicht blickt, plant dieser, nicht nur Mordechai zu töten, sondern alle Juden im Land auszurotten. Diesen Plan kann Mordechai mit Esthers Hilfe vereiteln und zum Schluss landet Haman selbst am Galgen. Dieser Geschichte wird im jüdischen Leben bis heute im Purimfest und in den Purimspielen gedacht.
Die Megile lider von Itzik Manger
Itzik Manger, der große jiddische Poet des 20. Jahrhunderts, schrieb die Megile lider 1936 in Warschau. Er versetzt die Handlung vom alten Babylonien in das Polen seiner Zeit und er fügt ihr auch neue Charaktere wie den armen Schneider Fastrigosa hinzu.
Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern
Auch Goethe hat die Esthergeschichte aufgegriffen und sie 1773 in dem Schwank „Das Jahrmarktsfest zu Pluderweilern“ verarbeitet. Hier verhält sich Esther jedoch wesentlich zickiger, als Mordechai sie um Hilfe anfleht.
Di megile fun vaymar
All diese Erzähtstränge hat Alan Bern jetzt verwoben und zusammengeführt und ein völlig eigenes und neues Musiktheater daraus geschaffen. Ich fand es faszinierend von der ersten bis zur letzten Minute – und das waren ziemlich viele, das Stück dauert zweieinhalb Stunden. Alle Schauspieler und Musiker stammen aus dem Umfeld des Yiddish Summer, sind teilweise seit Jahren dort als Musiker und Dozenten tätig. Alle Rollen waren doppelt besetzt, so dass außer einigen Nebenrollen nur fünf Schauspieler das ganze Stück stemmten:
- Mendy Cahan als Haman und als Goethe
- Efim Chorny als Itzig Manger und als Fastrigosa
- Miléna Kartiwski-Aich als Königin Vashti und als Mordechai
- Sveta Kundish als Königin Esther und als Straßensängerin
- Yuri Vedenyapin als Rabbi und als König Ahasveros
Und alle fünf waren in jeder Rolle unglaublich gut!
Fotos: Shendl Copitman