Nowogrudok
Das Museum des jüdischen Widerstandes in Nowogrudok
Dieser Text stammt aus einem Vortrag, den Bella Liebermann kürzlich anläßlich ihrer Reise durch Weißrussland gehalten hat.
Nowogrudok ist eine kleine, gemütliche Stadt.
Es gibt verschiedene Wohnhäuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert, eine orthodoxe Kirche aus dem frühen 15. Jahrhundert, eine katholische Pfarrkirche , eine Synagoge aus dem 18. Jahrhundert und das Adam-Mickiewicz-Haus. Adam-Mickiewic, polnischer Nationaldichter, wurde in Nowogrudok getauft und verbrachte dort seine Kindheit.
Nowogrudok ist heute unter Historikern vor allem für das Zentrum der jüdischen Partisanenbewegung der Bielski-Brüder bekannt.
Das Museum der jüdischen Resistance ist einzigartig in Europa. Es wurde als ein privates Museum von Tamara Verschitskaja, Lehrerin und Leiterin des Heimatmuseums in Novogrudok gegründet. Laut ihrer Aussage, hat sie vor der Perestroika nie gehört, dass in dieser Stadt Juden waren.
Erst als sie von Überlebenden des Holocaust in Novogrudok Briefe und Telefonate bekommen hat, hat sie angefangen die jüdische Geschichte in dieser Stadt zu recherchieren.
Vor dem Krieg haben hier 6000 Juden gewohnt. 1941 wurden hier mit den Juden aus den naheliegenden Dörfern 23.000 Juden im Getto untergebracht. Sie wurden systematisch vernichtet.
Am 26.09 1943 entflohen durch einen selbst gegrabenen Tunnel 350 Juden aus dem Ghetto, von denen die meisten anschließend mit Hilfe der Bielski-Brüder im Wald überlebten. Darunter befanden sich auch die Vorfahren von Jared Kushner, dem Schwiegersohn von Donald Trump. Vier Monate haben sie ein Tunnel gegraben – Länge 220 m, 70 cm hoch. Die Erde wurde am Dach des Hauses versteckt.
Dieser Tunnel wurde mittlerweile entdeckt und soll archäologisch aufgearbeitet werden. Die Familie von Jared Kuschner unterstützt den Ausbau des Museums. Es ist geplant, eine Klagemauer zu errichten – eine Wand mit den Namen von geflüchteten Juden.
2018 wurde im Hof des ehemaliges Gettos ein weiteres Denkmal eröffnet: ein Mädchen im Engelskostüm – Symbol der verlorene Kindheit.
Die Protagonistin von diesem Mädchen hieß Michle Sosnovskaja. Sie ist in Novogrudok geboren und in Novogrudok umgekommen.
Dieses Denkmal beinhaltet ein Mädchen als Engel und einen Baum mit abgehackten Ästen (das Symbol des Lebens, des zu Unrecht beendeten Leben).
Dieses Mahnmal wurde von einem Einheimischen finanziert, er heißt Sergej Kowal.
Er hat als Laien-Schauspieler an einem Stück mit dem Thema Ghetto mitgewirkt. Während einer Probe, die im Museum der jüdischen Resistance stattgefunden hat, hat er ein Foto von einem Mann gesehen und festgestellt, dass dieser Mann mit ihm verwandt ist und seinerzeit aus dem Ghetto entkommen konnte.
Dieser Mann, eigentlich Geschäftsmann, ist während einer Führung durch das Museum auf ein Bild eines Mädchens im Engelskostüm (Verkleidung zu Purim) aufmerksam geworden.
Die Leiterin des Museums, Tamara Verschitskaja, hat ihm die Geschichte des Mädchens erklärt – sie heisst Michle Sosnowskaja. Die Eltern des Mädchens haben die Bewacher bestochen, damit sie mit einer Freundin aus dem Ghetto entkommt, was auch gelang. Jedoch wurden sie auf der Straße von einer Bekannten erkannt und zur Polizei gebracht. Dort sind sie erschossen worden.
Das Foto stammt von einer befreundeten Nachbarfamilie, die nach England vor dem Krieg fliehen konnten.
Der Geschäftsmann war von der Geschichte des Mädchens so ergriffen, dass er dieses Denkmal zu Ehren aller umgekommenen Kinder errichten ließ.
Der amerikanische Film über die Bielski-Brüder hieß „Defiance“ (deutscher Titel : „Unbeugsam“) und lief 2013 im Kino.