Shanghai fern von wo
Das Shanghaier Ghetto
In den dreißiger Jahren wurde es für Juden, die Deutschland oder Österreich verlassen wollten und mußten, zunehmend schwieriger, irgendwo noch Aufnahme zu finden. Trotz der offensichtlich ständig zunehmenden Gefahr für die jüdische Bevölkerung ließen die meisten Länder keine Juden mehr einreisen, s. auch den Artikel „Quotenregelund und Grenzen dicht“. Für 20.000 Flüchtlinge wurde Shanghai ab 1938 zum letzten möglichen Zufluchtsort. Hier gab es schon die alteingesessenen sog. Baghdadi-Juden und russische Gemeinden von Juden, die nach der Revolution von 1917 hierhin geflohen waren.
Sowohl die japanischen Behörden als auch die Flüchtlinge selber waren auf diese Situation nicht vorbereitet und das Leben spielte sich oft in extremer Armut, in beengten Wohnungen und und unter schlechtesten hygienischen Verhältnissen ab.
Verschlimmert wurde die Lage noch mit der Ghettoisierung. Die Japaner waren ursprünglich nicht antisemitisch eingestellt und hatten nichts gegen Juden. Sie waren aber Verbündete der Deutschen, und diese überzeugten sie, dass von den Juden angeblich eine erhebliche Spionagegefahr ausginge.
Im Februar 1943 mußten alle nach 1937 eingewanderten Juden in eine „Designated Area“ im Stadtbezirk Hongkou umziehen – das sog. Shanghaier Ghetto. Auch wenn es keine Mauer und keinen Stacheldraht gab, so wurde das Ghetto doch bewacht, verlassen durfte man es nur mit Passierschein, einer Arbeit außerhalb des Ghettos nachzugehen, war nur sehr wenigen möglich. Zu einer von den Nazi angestrebten systematischen Ermordung der ghettoisierten Juden wie in Europa kam es jedoch nicht.
Nach Kriegsende und v.a. nach der Gründung des Staates Israel verließen fast alle „Shanghailänder“ die Stadt.
Der Roman
In dem Roman „Shanghai fern von wo“ (Jung und Jung, 2009) erzählt Ursula Krechel von dem Schicksal ganz realer Personen: Franziska Tausig, Ludwig Lazarus und die anderen Protagonisten des Roman sind keine erfunden Figuren.
„Sie kamen ohne Visum und Illusionen mit einem Koffer und zehn Reichmark in der Tasche, Anwälte, Handwerker, Kunsthistoriker, und wenn sie in dieser überfüllten Stadt und dem feucht drückenden Klima zurechtkommen wollten, dann waren Erfindungsgabe und Tatkraft gefordert.“ (Klappentext)
Ein sehr gründlich recherchierter Tatsachenroman, der auch 1945 nicht endet, sondern die Rückkehr einiger Exilanten nach Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg mitverfolgt sowie deren zähen und frustrierenden Kampf um Anerkennung und Wiedergutmachung mit den deutschen Behörden.