Die alten Lieder
Manchmal, nach einem Konzert, frage ich mich: was machen wir hier eigentlich? Da spielen wir, Deutsche und goyim, für unser Publikum, ebenfalls Deutsche und goyim, ein jüdisches Programm, mit Klezmermelodien, jiddischen Liedern, Geschichten vom shtetl, vom Rebbn und von der Emigration nach Amerika. Wir lieben diese Musik, ich liebe die Sprache, das Publikum ist begeistert, alles schön, aber: was machen wir hier eigentlich?
Was machen die Kollegen? Spielen Irish Folk, Rockabilly, trommeln in Samba-Bands oder picken Bluegrass. Wir Deutschen sind Weltmeister, was das Interesse für fremde Musikkulturen angeht, sowohl als Musiker als auch als Zuhörer. Egal ob Ire, Roma oder Tangospieler aus Buenos Aires: alles wollen nach Deutschland, denn hier boomt der Markt noch halbwegs.
Und unsere Lieder? Unsere alten Lieder?
Eine Antwort darauf lieferte schon vor geraumer Zeit Franz-Josef Degenhardt:
Die alten Lieder (Franz Josef Degenhardt bei Myspace)
Zu Degenhardts 80stem Geburtstag, den er selbst nicht mehr erlebte, trug der amerikanische Klezmer-Musiker Daniel Kahn seine Version von „Die alten Lieder“ vor.
Wo sind eure Lieder,
eure alten Lieder?
fragen die aus anderen Ländern,
wenn man um Kamine sitzt,
mattgetanzt und leergesprochen
und das high-life Spiel ausschwitzt.
Ja, wo sind die Lieder,
unsre alten Lieder?
Nicht für?n Heller oder Batzen
mag Feinsliebchen barfuss ziehn,
und kein schriller Schrei nach Norden
will aus meiner Kehle fliehn.
Tot sind unsre Lieder,
unsre alten Lieder.
Lehrer haben sie zerbissen,
Kurzbehoste sie verklampft,
braune Horden totgeschrien,
Stiefel in den Dreck gestampft.
Der ganze Text von Daniel Kahn findet sich im „Bad Old Songbook“ (pdf)
Eine Antwort
[…] Artikel zu dem Thema habe ich schon im Januar geschrieben: http://www.tangoyim.de/blog/2013/01/die-alten-lieder/ Mittlerweile hat das Degenhard-Lied einen festen Platz in unserem Repertoire gefunden – als […]